Wenn Nährstoffe das Pferd vergiften

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Oder Unwissenheit Pferde (fast) umbringt!!!

 

Ich wurde hier bei einem Fall um eine Meinung gefragt und möchte ihn teilen, weil es einfach wichtig ist, hier größeres Bewusstsein zu schaffen. Nicht nur bei den Pferdebesitzern selbst, sondern auch bei allen anderen Leuten und Dienstleistern, die mit Pferden zu tun haben und irgendetwas zum Thema Fütterung zu tun haben oder gar Dinge zur Fütterung empfehlen!

 

Es geht um ein 2-jähriges Jungpferd, dass ich an dieser Stelle einfach mal Pferdinand nenne.

 

Pferdinand stand zu dem Zeitpunkt als ich um Rat gefragt wurde bereits gut 5 Wochen in der Klinik. Er zeigte eines Tages relativ plötzlich Anzeichen von Ataxie, dann heftiges Muskelzittern allgemein, das sich schließlich von der Hinterhand angefangen immer weiter nach vorne verlagerte. Pferdinand wurde vom Haustierarzt erstversorgt und zur weiteren Untersuchung in die Klinik überwiesen. Dort machte man vielerlei Untersuchungen, die aber kein Ergebnis brachten.

 

Vergiftung stand schon am Anfang im Raum. Man suchte nach Toxinen und Giftpflanzen im Heu.

Da war aber nichts.

Verdacht auf Leptospirose hatte man auch – wurde über die Zeit insgesamt 4x ausgeschlossen!

PSSM1 und PSSM2 wurden ebenfalls ausgeschlossen.

Auch eine Muskelbiopsie blieb ohne Ergebnis.

Dem Pferd geht es über Wochen nicht besser – es stand sogar Einschläfern im Raum. Das Pferd habe da irgendeine Muskelerkrankung, aber die Klinik weiß nicht welche. Sie tippen auf EMND, aber die Untersuchungen bestätigen das nicht!

Allerlei Medikamente brachten keine Verbesserung. Nur die Gabe von Zeolith hat innerhalb kurzer Zeit das Muskelzittern sichtbar verbessert und Pferdinand insgesamt deutlich stabilisiert. Es wurde dann aber auch wieder schlechter.

Es wurden engmaschig Blutbilder gemacht. Der Selenwert befand sich schon beim ersten Blutbild bei auffälligen 263!

 

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Zur Vorgeschichte:

 

Pferdinand stand im April noch gut da. Am 01. Mai gab es einen Stallwechsel mit Rangeleien bei der Integration was zur Gewichtsabnahme führte. Die Besitzerin schilderte er hatte immer Hunger. Gefressen hat er sehr gut, er nahm aber ab. Das Pferd zeigte 2 Wochen nach Stallwechsel bereits Symptome seiner Problematik. Aus Angst, dass er vom Fleisch fällt, bekam das Pferd Heucobs und Pavo podo grow zugefüttert. 3 weitere Tage später ging es dem Pferd richtig schlecht und er kam in die Klinik.

Als mir der Fall vorgetragen wurde war mein erster Gedanke noch bevor ich alle Gegebenheiten überblicken konnte – Achtung Selenvergiftung! Selenvergiftung macht Myopathien und kann bis zum Ausschuhen gehen. Auch Haarausfall ist eine Folge. Da der hohe Selenwert im Blut aber keine Bedeutung hatte für die behandelnden Tierärzte und auch nicht für die befragten Meinungen, dachte man überhaupt nicht an das Futter in Bezug auf die Nährstoffe.

Im Gegenteil!

Pferdinand bekam über 4 Wochen, aufgrund des dringenden Verdachtes mit der Muskulatur stimme was nicht, noch zusätzlich Selen und Vitamin E in der Klinik verabreicht. Doppelte Dosis. Dazu über den Tag verteilt Mash.

Da die Klinik nicht weiterwusste, wurde der Fall schließlich auch an Unikliniken weitergegeben. Die Unikliniken bekamen alle vorliegenden Untersuchungen – auch die Blutbilder. Die, die sich geäußert haben waren weiter auf die mysteriöse Muskelerkrankung fixiert. Eine Uniklinik wollte das Pferd gern haben für eine erneute Muskelbiopsie. Der Besitzer und die Leute, die sonst noch am Pferd hantierten entschieden sich aber dagegen. Es lagen zu dem Zeitpunkt alle Untersuchungen vor und eine erneute Biopsie sei nicht nötig. Es gab also keine Diagnose – nur der Verdacht auf EMND.

Nun wurde mir der Fall also nach der 5-wöchigen Odyssee vorgestellt, weil schon davor eine Tierheilpraktikerin Selenvergiftung in den Raum geworfen hat und bei mir nun nachgefragt wurde ob, dass denn sein könne und wie sich das dann zeigt.

 

Ich habe selbst auch noch kein selenvergiftetes Pferd gesehen, aber JA – natürlich kann das sein!

 

Ich bin ehrlich gesagt massiv erschüttert!

Mir fehlen die Worte, dass der hohe Selenwert ignoriert wurde und man Pferdinand sogar noch weiteres Selen als Therapie verabreicht hat und die Selenvergiftung weiter erhielt.

 

Was war im Futter?

 

Die Bilanzierung der Ration hat schnell gezeigt, dass hier einige unglückliche Umstände zusammengekommen sind und es in der Gesamtbilanz unwissentlich enorm schief gegangen ist. Ja – füttern auf Verdacht, ohne eine Ration zu bilanzieren kann heut zu Tage enorm schief gehen! (Lies dazu auch hier zum Thema Heuanlayse)

 

Ich versuche das hier alles so neutral wie möglich wieder zu geben, denn ich will niemanden hier in irgendeiner Weise an den Pranger stellen. Hier sind Fehler und Umstände an verschiedenen Stellen passiert und ungünstig zusammengetroffen.  Ich möchte aber die Wichtigkeit von Rationsbilanzierungen in den Vordergrund stellen und dass das Thema Fütterung ernster genommen wird, denn hier ist leider zu allem Unglück, dann auch noch komplett an dem eigentlichen Problem vorbei diagnostiziert worden. Tierärzte sind in der Regel keine Futterexperten – außer sie haben sich Ernährungswissenschaftlich weitergebildet. Das Thema Fütterung und Nährstoffe wird im Tierarztstudium nur oberflächlich angerissen. Eine einfache Rationsbilanzierung kann im besten Fall solche Probleme von vorneherein verhindern oder eben auch einfach ausschließen.

 

Aber zurück zum Thema was eigentlich passiert ist:

 

Wegen dringendem Verdacht einer Selenvergiftung meinerseits haben wir sofort sämtliches Selen aus der Futterration entzogen wo es nur ging. Es wurde außerdem eine Heuanalyse mit sämtlichen Nährstoffen einschließlich Selen und Jod in die Wege geleitet. Heraus kam ein unglaublicher Wert von 0,3 mg Selen pro kg Heu. Dieser Wert kam sogar dem Labor ungewöhnlich hoch vor, weshalb sie es ein zweites Mal testeten, um einen Fehler auszuschließen.

 

Leider war es kein Fehler, sondern der Selenwert in diesem Heu war wirklich so hoch. Nicht zum ersten Mal im Übrigen, dass ich dies erlebe und das in Deutschland, wo es immer heißt, es sei Selenmangelgebiet.

Das stimmt nicht! Es gibt durchaus Regionen, wo es gar nicht so wenig Selen im Boden hat.

 

D.h. das Unglück begann unbekannter Weise bereits beim Einzug in den neuen Stall wo es dieses Heu ad Libitum zu fressen gab.

 

Wie viel Pferdinand wirklich gefressen hat ist bei 24 Stunden Heu Zugang unbekannt.

Bereits 7 kg von diesem Heu führen aber zu 2,6-facher Selenüberversorgung bei diesem Jungpferd.

9 kg Heu die seinem Energiebedarf entsprechen führen zu 3,4-facher Selenüberversorgung.

Pferdinand hat einen Selenbedarf von ca. 0,8 mg pro Tag. 0,5 mg Überschuss sind in der Regel unbedenklich. 1 mg Überschuss ist kurzzeitig vielleicht auch noch tolerierbar.

 

Dieses Heu ist zu hoch im Selengehalt, um alleinig an Pferde verfüttert zu werden!

 

Es muss geschickt mit geeigneterem Heu kombiniert werden, um Überschüsse zu vermeiden.

 

 

 

Der Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide

 

 

2 Wochen nach dem Umzug stellte die Besitzerin also starken Leistungsabfall, massiven Gewichtsverlust, Juckreiz und viel Liegen an ihrem Pferd fest. Sie fütterte ihm ein voll mineralisiertes und vitaminisiertes Fohlenfutter zu.

Sie entschied sich für eine Menge, die ihr in dieser Situation richtig vorkam. Diese Menge führte leider zu enormen Überschüssen bei allen Nährstoffen und zum Teil sogar in höchst toxische Bereiche!

Im Handumdrehen und vor allem unbemerkt bekam das Jungpferd mit 0,8 mg Bedarf eine Tagesdosis von mindestens 6,74 mg Selen.

Ab 4,5 mg Überschuss droht JEDEM Pferd eine Vergiftung! Beim Jungpferd ist von einer tendenziell eher niedrigeren Toleranz auszugehen als beim ausgewachsenen Pferd. Die Praxis hat gezeigt, dass es genau 3 Tage dauerte, ab Umstellung der Fütterung, bis das Pferd dann in die Klinik eingewiesen wurde. Der anfängliche Leistungsabfall steigerte sich nun in starkes Muskelzittern und starker Schuppenbildung am Mähnenkamm.

Wie es in der Klinik dann weiterging, hast du am Anfang des Artikels schon im Großen und Ganzen erfahren. Wir haben auch die Ration der Klinik nachträglich bilanziert. Sie enthielt vermutlich bereits weniger Selen aufgrund von anderem Heu. Wir haben keinen Wert von dem Heu, aber 0,3 mg Selen pro kg Heu kommt nun auch nicht alle Tage vor.

 

Allerdings bekam Pferdinand ja eine doppelte Dosis Selenkur wegen der Muskelproblematik und das war immer noch zu viel über dem Bedarf und hat die Problematik schön aufrecht erhalten. Die Muskelproblematik war in diesem Fall aber nicht die Ursache, sondern das Symptom. 

Als wir ihm als erste Maßnahme dann sämtliches Selen entzogen hatten, ging es ihm übrigens ganz schnell sichtbar besser.

 

 

Je nach Status im Körper hält ein Pferd so eine Fehlfütterung vielleicht mal länger oder eben kürzer aus. Anhand der Futter-Bilanzierung der davor gefütterten Zusätze, könnte er vorher schon gut mit Selen versorgt gewesen sein. Ein früheres Blutbild gibt es nicht. Die vorherige Verdachtsfütterung war aber gut dosiert! Einen Mangel hatte er sehr wahrscheinlich vorher schon nicht.

 

Mit Zeolith ging es übrigens auch in der Klinik zwischenzeitlich sichtbar besser – bis er dann immer wieder die Selen-Dosis der Klinik bekam, die diese Vergiftung am Leben erhielt. Hier hat man mal live gesehen wie gut Zeolith auch Nährstoffe – die in so einem Fall ja Toxine sind – binden können und warum Zeolith in einem Mineralfutter in Dauergabe meiner Meinung nach nichts verloren hat. Aber das ist ein anderes Thema.

 

Am Ende haben sehr viele Leute unterschiedlichster Spezialgebiete an dem Pferd herumgerätselt. „Wir Alternativen“ beharrten auf die Selenvergiftung – Klinik und Tierärzte, beharrten auf Muskelerkrankung. Und sogar ein Problem mit dem roten Knochenmark wurde in den Raum gestellt. Obwohl es zu keiner brauchbaren Diagnose kam! Bis heute nicht.

 

Zu viel sprach aber für uns „Alternativen“ inzwischen für eine Selenvergiftung, auch wenn alle Tierärzte, die damit zu tun hatten, weiter dagegenredeten. Die Besitzerin entschied sich schließlich ihn nach Hause zu holen. Wir leiteten einen sofortigen Entzug sämtlicher Mineralstoffe ein, denn in diesen Rationen befand sich ja nicht nur zu viel Selen! Diese Rationen erzeugten ja auch einen noch höheren Jodüberschuss (genauso toxisch wie Selen) eine 3-fache Proteinüberversorgung und auch alle anderen Mengen,- Spurenelemente und Vitamine waren um das 6-14fache erhöht. Es hat im Übrigen seinen Sinn, dass Futtermittelhersteller eine maximale Fütterungsempfehlung auf ihr Futtermittel schreiben! In diesem Fall und mit diesem Heu, wäre es allerdings auch nach Herstellerempfehlung gefüttert, schief gegangen! Das hätte auch schon gereicht, wäre vielleicht lediglich ein längerer und nicht so eindeutiger Prozess gewesen.

 

Der (tödlich) erkrankte Pferdinand war also nun wieder zu Hause. Bekam erstmal nur Heu, noch eine Woche Zeolith um Toxine zu binden und eine phytotherapeutische Unterstützung zur Blutverdünnung um einer eventuellen Rehe zu entgehen. Die Hufe bzw. an den Kronrändern gab es zwischenzeitlich nämlich mal verdächtige Erwärmungen. Sonst gab es nichts! Nach erneutem Blutbild wurde die Ration bestmöglich für den aktuellen Zustand optimiert. Es wird noch weitere Kontrollen und benötigen

 

Innerhalb 4 Tagen ging es dem Pferd zu Hause sichtbar besser! Das Zittern hörte bereits nach 2 Tagen fast auf – es wurde auch nicht mehr schlechter. Das Pferd pinkelte wieder normal, denn durch die Vergiftung war das Pferd zwischenzeitlich mal deutlich dehydriert. Die Schuppen am Mähnenkamm verschwanden ebenso rasch wie sie gekommen waren. Die Hufe wurden einfach vorbeugend mal gekühlt. Leber und Niere haben noch gut zu tun. Pferdinand geht’s aber soweit ganz gut und er bekommt wieder Kraft.

 

Das alles ist ein schlimmer Fall, aber leider nicht das einzige Pferd, dass ich die letzten Monate mit echt hohen Selenwerten auf dem Tisch hatte. Eine einfache Rationsbilanzierung kann dies verhindern. Kann ich nur immer wieder darauf hinweisen. Es ist wichtig zu wissen, was man da füttert. Ungünstige Nährstoffwerte können sich nicht nur in mineralisierten Futtermitteln oder wilden Kombinationen verstecken. Sie verstecken sich unter Umständen auch im Heu, wie in diesem Fall und einigen anderen wie ich leider in den letzten Monaten bei mehreren meiner Kunden feststellen musste.

 

Lerne selbst die Ration zu prüfen und solche groben Fehler zu vermeiden! 

 

In diesem Zusammenhang möchte ich dich auch auf meinen Selbstlernkurs aufmerksam machen. Denn die Grundlagen einer Rationsbilanzierung sollte am besten jeder Pferdebesitzer selbst beherrschen. So können zumindest solche groben Fehler einfach vermieden werden.

 

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