Rechnerei in der Pferdefütterung?
27.06.2022Blutbild
13.05.2023Warum Rationsbilanzierung Sinn macht!
Hier möchte ich über die Zeit einen Sammelartikel von Praxisbeispielen entstehen lassen, denn so wird das Thema Rationen bilanzieren häufig sehr viel greifbarer.
Fallbeispiel 1 – ein zu dünnes Pferd mit dickem Bauch?
Heute schildere ich einen Fall wo bereits eine kleine Heuanalyse für 40 € sehr viele Fütterungsfehler aufdecken konnte, dem man ohne nicht so nah gekommen wäre.
Wir haben ein Heu analysieren lassen und folgendes kam raus: Gerade einmal 4,8 MJ Energie, 23 g verdauliches Protein und überdurchschnittliche 364 g Rohfaser pro kg. Gefüttert werden soll damit ein sehr zierliches Pferd, dessen Sättigungsgrenze bei etwa 3 kg Rohfaser liegt. Das Heu steht 24/7 zur Verfügung.
Satt ist satt.
Jedes Pferd hört irgendwann auf zu fressen, wenn es satt ist.
Hier haben wir also mal einen umgedrehten Fall im Gegensatz zu den häufig übergewichtigen Pferden, die meistens schon viel zu viel Energie aufgenommen haben, aber noch lange nicht satt sind – geschweige denn zufrieden.
Das zierliche Pferd um das es geht hat seine Sättigungsgrenze von 3 kg Rohfaser bereits mit rund 8 kg Heu erreicht. Der Energiebedarf ist mit diesen 8 kg Heu aber leider noch nicht gedeckt. Für genügend Energie muss dieses Pferd mindestens 10 kg Heu fressen. Schafft es an manchen Tagen vielleicht sogar. Aber nicht täglich. Denn auch bei Ad Libitum Fütterung gibt es tägliche Schwankungen. Ein Pferd frisst sich nicht jeden Tag auf die gleiche Art und Weise pappsatt.
Was zeigt uns das Pferd?
Das Pferd hat eine sehr kantige Oberlinie, wirkt bei sehr genauer Betrachtung insgesamt eher dünn hat aber einen extremen Bauch entwickelt. Und auf Grund des Bauches wurde es als zu dick beurteilt. Fataler Fehler! Der Bauch bzw. eine Bauchigkeit selbst, hat beim Pferd nichts mit dem Futterzustand an sich zu tun. Nicht umsonst wird der Bauch bei der Body Condition Score Ermittlung (Beurteilung des Futterzustandes) auch nicht berücksichtigt.
Bei diesen Rohfasergehalten ist eine gewisse Bauchigkeit kein Wunder. Der Bauch ist ordentlich voll.
Du kennst das vielleicht, dass Pferde, die sehr viel Stroh fressen häufig gefüllter aussehen als andere. Gleichzeitig ist die Energie aufgrund der hohen Sättigung aber zu knapp gedeckt und Protein aufgrund des niedrigen Proteingehaltes auch rund 50 g unterversorgt. Proteindefizit führt ebenfalls unter anderem zu Aufgasen, aufschwemmen (Stichwort Hungerödem). Würde man nun versuchen durch Training die Muskulatur aufzubauen, stößt man so ein Pferd noch mehr ins Energiedefizit. Die Muskulatur baut eher ab als auf. Denn fehlende Energie holt sich der Körper gerne aus der Muskulatur.
Und der Bauch? Der bleibt.
Anhand des „dicken“ Bauches wurde nun aber leider von anderer Stelle beurteilt, dass das Pferd zu viel Zusatzfutter bekäme. Es handelte sich um 300 g Luzernecobs als kleine Proteinquelle, die auf Durchschnittswerte im ersten Schritt bilanziert wurden!
Das ist eine Fehlinterpretation. Und die Heuanalyse zeigt es nun eindeutig.
Dieses Pferd bekommt potenziell NICHT ZU VIEL Zusatzfutter und ist deshalb „zu dick“ bzw. bauchig. Dieses Pferd bekommt ZU WENIG! Es ist in den Grundnährstoffen Fehl- und mangelernährt. Das Pferd ist unterversorgt – nicht überversorgt und muss eher mehr bekommen! Es steckt im Mangel mit den entsprechenden Folgen und Effekten.
Fazit: im ersten Schritt vor 3 Monaten und kurz vor der neuen Heuerntesaison hatte es sich trotzdem bereits gelohnt auch ohne Heuanalyse die Fütterung fürs Pferd zu verbessern. Vor allem im Fell und im Gesamteindruck hat sich da über die letzten Monate auch bereits vieles ins positive entwickelt.
Grundsätzlich zeigt dieser Fall aber auch mal wieder besonders deutlich, dass wir Klarheit darüber brauchen, was in unserem Futter ist, wie der Bedarf unseres Pferdes ist und ob unser Futter diesen Bedarf überhaupt decken kann. Denn viel zu oft finden solche Fehlinterpretationen statt und einem eh schon mangelernährten Pferd wird ins Blaue geraten noch mehr entzogen, was die Situation eben nicht verbessern wird.
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Fallbeispiel 2 – mit individuell, nach Heuanalyse, hergestelltem Mineralfutter dem Pferd geschadet
Vor kurzem wendete sich jemand mit ihrem Pony an mich, dessen Haut sich mitten im Winter vom Mähnenkamm schälte. Pilze, Parasiten und ähnliche Probleme wurden bereits tierärztlich ausgeschlossen. Dieses Pony hatte so ein Problem zuvor auch noch nie. Seit einiger Zeit hat es sogar ans eigene Heu angepasstes Mineralfutter.
Das kann doch eigentlich nur perfekt sein, oder?
Nach einer kurzen Anamnese und einer einfachen Rationsüberprüfung von wenigen Minuten stellte ich eine massive Kupferüberversorgung fest. Wir befanden uns im deutlich im toxischen Bereich. Auch andere Elemente waren für meinen Geschmack viel zu hoch dosiert!
Das Mineralfutter passte grundsätzlich gut. Die Fütterungsempfehlung war aber viel zu hoch! Ein Drittel der Dosis hätte es auch getan. Warum das genau so hergestellt und empfohlen wurde? Für mich nicht nachvollziehbar.
Kupferüberversorgungen in solchen Bereichen können die Leber massiv belasten! Ich empfahl der Ponybesitzerin die Leberwerte mal über ein Blutbild zu überprüfen. Und tatsächlich bestätigte sich der Verdacht und die Leberwerte waren deutlich auffällig. Dieses Pony hatte in der Vergangenheit noch nie Probleme mit der Leber und immer unauffällige Werte. Einige Blutbilder aus dieser Zeit lagen vor.
Und der Kupferwert im Blut? Der war normal! Da das Mineralfutter schon eine kurze Weile vorher abgesetzt wurde wegen der Angst, dass hier irgendwas falsch läuft, ist dies auch nicht verwunderlich. Blut ist nur der Transporter und wenig aussagekräftig darüber wieviel von etwas WIRKLICH im Pferd ist. Wir müssen es immer im Gesamtbild betrachten. Diese Überversorgung wurde nur durch eine parallel durchgeführte Rationsbilanz sichtbar. Und zwar eine Bilanz die nicht nur die Defizite im Heu berücksichtig, sondern auch den Bedarf des Pferdes berücksichtigt.
Nun heißt es erstmal die Leber wieder in Ordnung bringen und die Fütterung dann auf ein neues Fundament zu stellen. Mit bedarfsgerechter und vor allem maßvoller Versorgung!
Fallbeispiel 3 – wenn die Fütterung in der Klinik verschlimmbessert wird.
Du möchtest selbst die Grundlagen der Bilanzierung lernen um dein Pferd vor solchen Fehlern zu bewahren?
Dann möchte ich dich auf meinen Selbstlernkurs aufmerksam machen. Denn eine grundlegende Rationsbilanz um Überversorgungen zu vermeiden, kannst du dir auch selbst aneignen.
Mein Selbstlernkurs zielt genau darauf ab, diese Grundlage des Bilanzierens selbst zu erlernen und solch groben Fehlinterpretationen zu vermeiden. Sei es, weil Heu wechselhaft ist oder weil ihr irgendwelche Zusatzfutter blind empfohlen bekommt oder ausprobiert und euer Pferd so vor unbemerkten toxischen Überschüssen schützen könntet. Denn ganz häufig findet sich in so einer Ration schnell beides. Unterversorgung an der einen Seite und Überschüsse auf der anderen Seite.